„Auch inmitten von Armut, schwieriger Infrastruktur und politischen Problemen bewahren viele Menschen ihre Lebensfreude, lachen viel und wirken zufrieden.“ – „In Kamerun erkennt man, wie wenig es braucht, um zufrieden zu sein – und wie wichtig es ist, das Wesentliche zu schätzen: Familie, Gesundheit, Gemeinschaft.“
Das sind zwei der Reaktionen der Reisegruppe, die Anfang Mai gemeinsam mit Pater Gerd Hemken SCJ zu einer Reise durch Kamerun unterwegs war. Sie besuchten die dort lebenden Herz-Jesu-Priester und ihre Einrichtungen, lernten „Afrika live“ kennen und erlebten so „das Abenteuer ihres Lebens“.
Dieses Abenteuer war körperlich und psychisch durchaus anstrengend. Dabei spielte der lange Flug noch die geringste Rolle. Aber aus europäischer Sicht desolate Unterkünfte, Duschen mit kaltem und ganz wenig Wasser, alte Autos, die stundenlang über nicht ausgebaute Straßen hoppelten, Staus, Hitze und Regen, stundenlange Stromausfälle – all das wurde zu einer extremen Herausforderung.
Mehr als wettgemacht wurden diese Erschwernisse durch die vielen herzlichen Begegnungen und Erlebnisse.
Pater Boris Igor Signe SCJ, der in Freiburg Theologie studiert hat, stellte die Reiseroute zusammen und fungierte als Reiseführer. „Mit seinem feinen Gespür für beide Welten und seinem Humor, über beide Seite lachen zu können, hat er den Bogen zwischen diesen Welten gespannt“, lobt ihn die Teilnehmerin Andrea Westendorf.
Pater Hemken, Missionsprokurator und Leiter des Spendenbüros, hat die Reise aus mehreren Gründen angeboten: für ihn selbst, um sich vor Ort ein Bild zu machen vom Leben seiner Mitbrüder und der Heimat der Studenten, die in Deutschland leben; um zu schauen, wie deutsche Spendengelder eingesetzt werden, und wo noch mehr Hilfe vonnöten ist; um Spenderinnen und Spendern zu zeigen, dass das Geld aus Deutschland in Kamerun gut investiert wird; und was es in Afrika bedeutet, dem Auftrag des Ordensgründers Pater Leo Dehon zu folgen: „Geht zu den Menschen!“
Stationen waren die Städte Yaoundé, Nkongsamba, Bafoussam und Douala; aber auch kleine Dörfer, in denen nur wenig Menschen auf einem kleinen Stück Land von einigen Pflanzen und vielleicht einer Ziege leben. Die Bevölkerung ist größtenteils arm – und sehr jung.
Die Armut wird verschärft durch Korruption. Dass wenige Menschen die Macht an sich reißen und keine Rücksicht auf die Bevölkerung nehmen, zeigt sich an vielen Stellen: willkürliche Stromausfälle, Straßen, die nicht ausgebaut werden, Staatsgelder, etwa für den Bau von Kraftwerken, die irgendwo versickern, Lehrer, für die die Gehaltszahlungen nicht ausreichen.
Auf der anderen Seite: „Obwohl sie arm sind, teilen sie das wenige, das sie haben, großzügig und mit Freude. Auch inmitten von Armut, schwieriger Infrastruktur und politischen Problemen bewahren viele Menschen ihre Lebensfreude, lachen viel und wirken zufrieden“, sagt Petra Bothe.
Sie seien aber auch spontan und gelassen, so eine wichtige Erfahrung: Wenn der Strom ausfällt – und das passiert häufig -, dann wird der Kaffee für die deutschen Gäste über dem offenen Feuer gekocht. Und wenn der Bus kaputt ist, dann wird kurzfristig ein eigenes Auto organisiert sowie mehrerer Motorräder als Taxi.
Weil den vielen jungen Menschen im Land Perspektiven fehlen, wollen sie in großer Zahl auswandern, am liebsten nach Frankreich oder Kanada, gerne auch nach Russland - Hauptsache sie finden eine Arbeit.
Auch die Ordensprovinz in Kamerun ist jung. 124 Herz-Jesu-Priester gibt es, der Provinzial ist mit 61 Jahren der älteste. Außerdem gibt es zwölf Novizen und 34 Studenten. Die gut ausgebildeten Ordensmänner sind vielfältig engagiert. Zu jeder Pfarrei gehört auch immer eine soziale Einrichtung – ausgerichtet daran, was die Menschen vor Ort brauchen.
In Nkonsamba beispielsweise befindet sich eine eigene Schule im Aufbau. Denn die staatlichen Schulen haben einen schlechten Ruf. In der Schule der Herz-Jesu-Priester sind die Klassen kleiner – 50 statt 80 Kinder pro Klasse - und auch besser ausgestattet. Die Lehrer sind ausgebildet, erhalten regelmäßig ihr Gehalt, auf dem Stundenplan stehen auch Fächer wie Musik, Kunst oder Deutsch, es gibt eigens Mitarbeiter, die sich als Pädagogen auch um Disziplin und Erziehungsfragen kümmern. Die Schule kostet zwar Schulgeld, aber wenn eine Familie dies nicht aufbringen kann, gibt es Lösungen. Denn das Interesse an Schulbildung ist groß, meint Jürgen Horn: „Insgesamt haben wir bemerkt, dass alle Kinder Lust auf Schulbildung haben, und sie haben auch ein Recht auf eine gute Berufsausbildung.“
Neben dem Provinzialat gibt es eine riesige Bäckerei, die die Ordensleute mit Brot versorgt, und die mit ihrem Gewinn hilft, ordenseigene Projekt zu finanzieren. Im Noviziat wird eine kleine Landwirtschaft betrieben, die Novizen arbeiten mit und helfen so, dass sich die Gemeinschaft selbst versorgen kann.
In Bafoussam gibt es das große Sozialwerk JED (jeunesse en difficultés, zu deutsch: Jugend in Schwierigkeiten). Jugendliche ab etwa 14 Jahren, die entweder keinen Schulabschluss haben oder bereits kriminell geworden sind, können hier entweder den Schulabschluss nachholen oder eine handwerkliche Ausbildung absolvieren. Das Besondere neben der psychosozialen Betreuung: Wenn sie am Ende erfolgreich sind, bekommen sie ein kleinen finanzielles Startpaket, um in die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit starten zu können.
Außerhalb der Stadt gibt es eine kleine Farm. Ein junger Mitbruder dort studiert Landwirtschaft, um selbst gut wirtschaften zu können, aber auch, um die Menschen in dieser Hinsicht weiterzubilden.
Gänzlich beeindruckt war die Gruppe von der lebendigen Volkskirche. Nachwuchs für den Orden zu finden, stellt kein Problem dar. Die Gottesdienste sind alle sehr gut besucht, Petra Bothe bringt das Erlebte so auf den Punkt: "Fröhliche Gottesdienste: Messen feiern statt lesen!" Beispiele waren unter anderem ein Ehejubiläum, das nach dem Gottesdienst mit Berlinern für alle gefeiert wurde, oder als Höhepunkt: die Beerdigung der Mutter eines Mitbruders. Nach dem rund zweieinhalb-stündigen Gottesdienst zogen alle Gäste – mit einer Blaskapelle vorneweg – zum Haus der Familie. Dort wurde die Verstorbene im Grab direkt neben der Haustür beigesetzt. Anschließend gab es ein großes Essen für alle Anwesenden – es waren bestimmt 1000 Leute!
„Ich habe auf dieser Reise unter anderem verstanden, weshalb unsere jungen Mitbrüder nach ihrer Ausbildung wieder nach Kamerun zurückwollen: Hier haben wir einen gelebten Glauben erfahren, da ist viel los, die Gottesdienste sind voll, und die Menschen freuen sich, wenn sie einen Priester treffen“, fasst P. Hemken das kirchliche Leben zusammen.
Trotz der hohen Akzeptanz für Priester gibt es zugleich Bestrebungen, Laien mehr in die Verantwortung zu bringen. In die weit verstreuten kleinen Gemeinden kommt ein Priester nicht regelmäßig; ausgebildete Laien sollen dafür Sorge tragen, dass das Gemeindeleben dennoch lebendig bleibt.
Zugleich ist dem Missionsprokurator deutlich geworden, wie dringend die Ordensprovinz in Kamerun noch auf Spendengelder angewiesen ist, um vor allem die sozialen und Bildungsprojekte fortführen zu können.
Da wird mal ein Auto für das Ausbildungshaus gebraucht, damit die Studenten an die Uni kommen. Die Schule in Nkonsamba muss fertig gebaut werden. Das Noviziat will für den Verkauf von Milch und Milchprodukten weitere zwei Milchkühe kaufen. Im JED sollen weitere Maschinen für einen guten Ausbildungsstandard sorgen. Die Liste von sinnvollen Investitionen lässt sich fortsetzen.
„Aber meine Mitbrüder tun gleichzeitig sehr viel dafür, unabhängig von uns zu werden“, lobt P. Hemken. Denn auch das sei typisch Kamerun: „Da es Sozialsicherungssystem wie bei uns nicht gibt, ist es klar, dass die Menschen ihre Probleme selbst lösen und dafür auch anpacken.“