Indien: „Alles ist mit dem Gebet verbunden“

Pater Naveen Pudota SCJ war lange Zeit Kaplan in Neustadt und berichtet nun aus seiner Arbeit in Indien
Autor
Deutsche Ordensprovinz der Dehonianer SCJ
Datum
15.11.23

Namburu ist ein kleines Dorf in Indien. Zur katholischen Pfarrei dort gehören rund 160 Familien. Wenn sich ein Pfarrer, ein Diakon und eine Lehrerin gemeinsam um diese knapp 700 Menschen kümmern, dann wirkt das nach deutschen Maßstäben geradezu paradiesisch.

Pater Naveen Pudota SCJ ist dieser eine Priester. Von zu wenig Arbeit kann er trotzdem nicht berichten, im Gegenteil. „Die meisten Männer sind Tagelöhner“, berichtet er aus dem Alltag. Armut ist der ständige Begleiter der Familien. Da ist die Arbeit eines Priesters vielschichtig: Es geht um Gottesdienste und Sakramente, aber auch ganz viel um Seelsorge und soziale Arbeit. „Wir sind täglich da für die Menschen, sie kommen immer zu uns, wenn sie Hilfe brauchen“, sagt P. Naveen.

Dreieinhalb Jahre lebte und arbeitete er in Deutschland, in einer Pfarrei in Neustadt. Jetzt war er für einige Tage zu Besuch  im Herz-Jesu-Kloster Neustadt. Bei Gottesdiensten und Veranstaltungen berichtete er über seine Arbeit in Indien, auch im Gespräch mit Pater Gerd Hemken SCJ dem Missionsprokurator und Leiter des Spendenbüros, tauschte er sich aus.

Nach seiner Rückkehr nach Indien im Jahr 2018, als Pater Naveen in Namburu anfing, wollten ihn Menschen aus seiner ehemaligen Pfarrei in der Arbeit unterstützen. So entstand das Kinderhilfsprojekt NAMBURU. Es ist ein Patenschaftsprojekt für Kinder und hilft ihnen und ihren Familien, Schulgeld und alles andere zu bezahlen, was sie für einen erfolgreichen Schulbesuch brauchen. 55 Paten hat Pater Naveen inzwischen gewinnen können. Er entscheidet darüber, welches Kind eine Patenschaft besonders braucht.

Parallel zum Aufbau dieses Programms hat er die Kirche und das Gelände darum renoviert und weiterentwickelt. So hat der junge Herz-Jesu-Priester beispielsweise während der Corona-Pandemie, als die Tagelöhner keine Arbeit fanden, Geld für Baumaterial gesammelt und ihnen eine sinnvolle Arbeit gegen Bezahlung gegeben. Sie bauten beispielsweise eine Mauer um das Gelände, um die Menschen vor Büffeln und anderen wilden Tieren zu schützen. Auf dem Dach der Kirche entstand ein überdachter Raum, in dem Kinder – unterstützt durch eine Lehrerin – ihre Hausaufgaben machen können und dabei vor Regen oder Hitze geschützt sind. Neueste Errungenschaft sind Toiletten, die wichtig sind für Hygiene und Gesundheit.

70 bis 80 Kinder nehmen das Angebot der Hausaufgabenhilfe täglich in Anspruch. „Die Eltern können oder wollen den Kindern bei den Schularbeiten nicht helfen“, erklärt P. Naveen. Viele kommen aber auch, weil sie ein warmes Mittagessen erhalten.

Pfarreiarbeit ist Arbeit für und mit den Menschen

Pater Naveen ist einer von 83 Herz-Jesu-Priestern in Indien, außerdem gehören dem Orden vier Diakone und 20 junge Männer mit zeitlichen Gelübden an. Sie leben in 19 Kommunitäten. „Wir führen keine sozialen Projekte, aber unter anderem zehn Pfarreien“, berichtet er. Doch dort – wie in Namburu – leisten die Ordensmänner durchaus viel Sozialarbeit.

Rund 1,4 Milliarden Menschen leben in Indien. 85 Prozent von ihnen sind Hindus, mit rund 2,5 Prozent sind die Christen eine absolute Minderheit. Zudem ist die jetzige Regierung keinesfalls Christen-freundlich – im Gegenteil, wie ein schrecklicher Vorfall von Christenverfolgung im Bundesstaat Manipur im Mai 2023 bewies.

Diejenigen, die sich zum Christentum bekennen, haben jedoch einen starken Glauben, findet P. Naveen. „Alles ist mit dem Gebet verbunden“, sagt er. Zur starken Glaubensbindung trägt seiner Meinung nach auch die eingangs beschriebene Größe der Gemeinden bei: Angesichts der wenigen Familien bleibt sehr viel Zeit für Zuwendung und konkrete Hilfe. „Das ist auch ein großer Unterschied zu Deutschland“, findet der indische Herz-Jesu-Priester und erklärt: „Wenn jemand mal nicht zum Gottesdienst kommt, dann gehen wir zu ihm hin. Und wenn derjenige ein Problem hat, helfen wir oder die Pfarreimitglieder, es zu lösen.“

Sitzungen oder Verwaltungsaufgaben, wie P. Naveen sie in Deutschland kennenglernt hat, gibt es in indischen Pfarreien fast nicht – obwohl auch dort eine Art Pfarreirat und Frauengruppen das Pfarreileben und -wirken mitbestimmen.

Viel Beziehungsarbeit durch Katechese

Katechese wird dagegen großgeschrieben: „Eine Predigt dauert mindestens eine Stunde bei uns“, erzählt P. Naveen lachend. „Aber weil viele Menschen nicht lesen können, erkläre ich ihnen in der Predigt die Bibel, oder ich erzähle ihnen andere Geschichten oder Parabeln, damit sie das Gehörte auch verstehen.“

Für Kinder und Jugendliche der ersten bis zehnten Klassen gibt es die Sonntagsschule – oft verbunden mit Spielen, Sport oder einem gemeinsamen Essen. „Sie fühlen sich mit der Kirche verbunden, weil wir ihnen etwas bieten, was sie zu Hause nicht bekommen. Wenn wir ihnen zeigen, dass sie uns wichtig sind, wenn wir die Bindung zu ihnen halten, dann sind sie auch im Gegenzug bereit, sich für die Kirche, andere Menschen und ihren Glauben zu engagieren.“

Vielleicht, denkt P. Naveen, kann hier die Kirche in Deutschland etwas von Indien lernen. Er selbst hat in seiner Neustadter Zeit gelernt, planvoll vorzugehen, zu organisieren – und Verlässlichkeit und Pünktlichkeit, wie der lächelnd gesteht.

Einig ist er mit den Mitgliedern des Freundeskreises NABURU vor allem in der großen Bedeutung von Bildung: „Viele meiner Gemeindemitglieder waren nie in der Schule. Aber als Eltern verstehen sie jetzt, dass die Kinder nur mit Bildung eine Chance auf ein besseres Leben haben. Deshalb sind sie dankbar für unsere Anstrengungen und Angebote.“

Foto © scj.de / Pater Naveen Pudota SCJ