Was würde Jesus sagen, wenn sein Land angegriffen würde?

Pater Ernst-Otto Sloot SCJ berichtet in „Dein Reich komme über den Religionsunterricht in Zeiten des Krieges
Autor
Deutsche Ordensprovinz der Dehonianer SCJ
Datum
6.6.23

Pater Ernst-Otto Sloot SCJ berichtet in unserer Zeitschrift „Dein Reich komme (Ausgabe 69, Juni 2023) über den Religionsunterricht in Zeiten des Krieges:

Der anhaltende Krieg in der Ukraine wirft Fragen auf, denen sich auch der Religionsunterricht stellen muss: Würde sich Jesus gegen Waffenlieferungen aussprechen?
Und wie steht der Religionslehrer als Priester und Ordensmann zu Waffenlieferungen? In Diskussionen mit Schülern kommen interessante Einsichten zutage.

So sagen einige, dass die Waffenlieferungen in kleinen Portionen an das Prinzip Auge um Auge, Zahn für Zahn erinnern. Ein anderer meinte, wenn man den Ukrainern Atomwaffen zur Abschreckung zur Verfügung stellen würde, könnte der Krieg längst beendet sein.

Dem entgegnet ein weiterer, dass das wie bei der Blutrache wäre, die soll auch brutal abschrecken, und trotzdem passieren Verbrechen. Weitere Gedanken sind: Krieg ist so etwas wie „Todesstrafe“ für jeden Soldaten, der sich daran beteiligt. Alle dürfen legal getötet werden. Und normalerweise sind wir im Westen doch gegen die Todesstrafe für Verbrecher.

Wenn der russische Angriffskrieg ein Verbrechen ist, sind dann die russischen Soldaten Verbrecher oder Mörder, die die Todesstrafe verdienen? - Jesus sagt doch, dass ich die andere Wange hinhalten soll, wenn man mir auf die linke Wange schlägt, und dass man seine Feinde lieben soll. Dann dürfen Christen doch keine Waffen liefern!

Feindesliebe

Ja, und das ist mein Standpunkt: Alles, was der Blutrache ähnelt, zielt auf die Vernichtung der Zukunft des Gegners. Alles, was nach Auge um Auge, Zahn für Zahn aussieht, orientiert sich an dem, was in der Vergangenheit passiert ist und jetzt gegeneinander aufgerechnet werden soll. Das erste will Zukunft vernichten, das zweite, schon fortschrittlicher, will Vergangenheit aufarbeiten. Beide wollen Gerechtigkeit, aber beide orientieren sich nicht an einer gemeinsamen Zukunft. Nur die Feindesliebe eröffnet beiden Beteiligten eine mögliche Zukunft im Miteinander.

Soll man also keinen Widerstand leisten und sich ergeben? Ist das die Alternative? Eine Antwort auf diese Frage liefert uns das Beispiel von Pater Heinrich Middendorf SCJ, der im Zweiten Weltkrieg ausgebombte Nazis und verfolgte Juden im Kloster in Stegen unter einem Dach beherbergt hat. Ganz nach dem jesuanischen Wort: Gott lässt regnen über Böse und Gerechte. Es war ein gefährlicher Akt des Widerstands. Aber es war kein tatenloses Sich-ergeben. Ziviler Ungehorsam gegen ein Unrechtsregime wusste er begründet in christlichem Gehorsam auf das, was Jesus in seinem Herzen gedacht hat. Er hat es überlebt und wurde dafür geehrt.

Andere haben ihren Widerstand mit dem Leben bezahlt und starben als Märtyrer. Widerstand als wehrhafte Feindesliebe. Sie hat bestimmt auch ihren Preis, sie kostet Menschenleben. Aber es ist eine Alternative zu verwüsteten Städten, verminten Landschaften, Millionen Heimatlosen und zigtausenden Soldatengräbern!

Wir Christen haben in Jesu Vorbild eine wehrhafte Alternative zum bewaffneten Kampf!

Der Religionsunterricht dient dazu, diese Alternativen zu kennen und sich einzuüben in christliche Standpunkte, wenn man von der Politik vor die Wahl gestellt wird.