Weihnachten 2025: „Fürchtet euch nicht!“

Bild von Rudi Turske SCJ: Engel
Autor
Deutsche Ordensprovinz der Dehonianer SCJ
Datum
23.12.25

„Fürchtet euch nicht!“ Zugegeben, dieses Wort (Lk 2, 10) ruft doch eher gemischte Gefühle in mir wach: Darf ich mich etwa nicht mehr fürchten? Oder brauche ich mich nicht mehr zu fürchten? Muss ich mich schämen, wenn ich mich fürchte? Nein, so ein „Fürchtet euch nicht“ löst nicht sofort das „Wohlgefallen“ in mir aus, von dem die Weihnachtsengel singen. Es gibt halt derzeit viel zu viel, was mich das Fürchten lehrt, so viel Fürchterliches und Furchtbares, das wir schon von einem „Zeitalter der Polykrise“ sprechen.

Ich will es alles gar nicht noch einmal aufzählen. Nicht nur mir geht es wie den Hirten auf den Feldern von Bethlehem: „Sie fürchteten sich sehr.“

Ein ermutigendes Wort

Doch genau in dieser Situation bekommen sie ein ermutigendes Wort geschenkt, das ihnen von ganz woanders her kommt. Ich vermute, sie haben es in einem freundlichen Tonfall vernommen.

Es heißt ja, der Zuruf „Fürchte dich nicht“ käme 365mal in der Bibel vor, sozusagen für jeden Tag des Jahres einmal. Manchmal könnte ich mehr gebrauchen! Auch die Weihnachtsgeschichte ist voll davon: „Fürchte dich nicht, Zacharias! Dein Gebet ist erhört worden“ (Lk 1, 13).

„Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden“ (Lk 1,30). „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen“ (Mt 1, 20). Und zu den Hirten sagt der Engel: „Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll“ (Lk 2, 10).

Es ist übrigens jedes Mal ein Engel, der dies sagt. Und jedes Mal geht es um ein Kind: „Deine Frau Elisabeth wird dir einen Sohn gebären“ (Lk 1, 13), bekommt Zacharias zu hören. „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären“ (Lk 1,31); so die Verkündigung an Maria. „Das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“ (Mt 1,20), erfährt Josef. „Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt“ (Lk 2,12), ist den Hirten gesagt.

Aus der Schockstarre gelöst

Nur Herodes, der erschrak, als er vom neugeborenen König hört, vernimmt kein „Fürchte dich nicht“; er nimmt keinen Engel wahr, nur Argwohn. Er schreckt haben sich auch Zacharias, Maria und die Hirten – und zwar vor dem Engel selbst. Ist ja schon eine ungewöhnliche Erscheinung! Das „Fürchte dich nicht“ aber löste sie aus ihrer Schockstarre, ermutigte sie – trotz ihrer Furcht und Befürchtungen – zum Handeln und zum Weitergehen.

Die Engel brauchte es da schon nicht mehr: „Und es geschah, als die Engel von ihnen in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: Lasst uns nach Betlehem gehen, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr kundgetan hat! So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag“ (Lk 2, 15f.). Und so wird es für sie Stille Nacht, heilige Nacht; und wie eine Melodie senkt es sich in ihre aufgeschreckten Herzen: „Christ der Retter ist da!“

Die Umstände der Geburt Jesu: Volkszählung, keine Herberge, Futterkrippe, Nacht, später dann Bedrohung durch König Herodes und Flucht – sie zeigen uns ja, in welch schwierige Umstände wir in unserem Leben geraten können, die nach Rettung schreien.

Nicht nur „damals erfüllte sich, was durch den Propheten Jeremia gesagt worden ist: ‚Ein Geschrei war in Rama zu hören, lautes Weinen und Klagen. Rahel weinte um ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen, denn sie waren dahin‘“ (Mt 2, 17f ).

Gerade in trost- und aussichtslos erscheinenden Situationen, in bedrohlichen Umständen, brauche ich das: Ermutigung, Trost und manchmal auch das Signal meines Gegenübers: Ich bin dir nicht feindlich gesonnen, fürchte dich nicht. Worte, die ich mir nicht selbst sagen kann, die nur ein Engel sprechen kann. Manchmal sind es aber Worte und Erfahrungen, die sich mir so tief ins Herz eingesenkt haben, dass ich sie wieder wachrufen kann, wenn es wieder einmal zum Fürchten ist. Es müssen auch nicht Engel mit Flügeln sein, die dann Trost spenden und Hoffnung machen, ganz menschlich, mittrauern vielleicht, nichts schönreden, sondern auch ohne Worte zu stärken vermögen, einfach solidarisch sind, einen Moment lang dableiben.  So stelle ich mir auch die Menschen vor, die in Bethlehem um den Futtertrog mit dem Kind darin zusammenkamen.

Anstoß ins Vertrauen

Pater Dehon, ein mutiger und recht furchtloser Mensch, will uns zu Orten wie diesen führen. Und auch er hat ein ermutigendes Wort für uns: „Die Engel fordern dich zum Vertrauen auf. ‚Friede den Menschen, die guten Willens sind‘ (Lk 2,14). Nähere dich ohne Furcht. Es ist ein Gott des Friedens, es ist der Emmanuel, der Frieden in Person“ (Leo Dehon, Die Liebe übersteigt alles Erkennen. 1. Die Menschwerdung, S. 21)."

Pater Dehon bietet das „Fürchtet euch nicht“ der Engel als Anstoß ins Vertrauen an, als Einladung, mich anzunähern. Wer auf keinen Menschen und keinen Gott zugeht, auf kein Kind und in keinen Stall, wer keinen Engel duldet, wer sich nicht trösten lassen will, wird dem „Frieden in Person“ nie begegnen. Bewahrheitet sich das „Es ist der Emmanuel“, der Gottmituns, nicht jedes Mal, wo Ermutigung und Trost ins Spiel kommen, mitten hinein in überfordernde Zustände? Mir ist es wichtig, von einem „Frieden in Person“ menschlichen Trostes zu sprechen. Er lässt sich auch in einem „Kind finden, das in Windeln gewickelt“ (Lk 2, 12) ist. Wer hätte das nicht schon mal erlebt!

So wirkt der Heilige Geist

Auch vom „Frieden in Person“ menschlichen Beistands soll die Rede sein, zu dem Josef von innen heraus, durch einen Engel, von dem er träumt, ermutigt wird: „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen“ (Mt 1, 20). So wirkt der Heilige Geist. So lässt es sich auch über das Heilige Jahr hinaus als „Pilger der Hoffnung“ unterwegs bleiben. Es endet am 6. Januar, dem Tag, an dem wir uns die Geschichte von weisen Menschen aus dem Osten erzählen, die sich nicht fürchteten, sich den Anordnungen des Königs zu widersetzen. Auch sie werden dadurch von innen her ermutigt: „Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land“ (Mt 2, 12).

Auf einen anderen Weg des „Fürchtet euch nicht“ verweist auch Pater Dehon, wenn er dazu ermuntert, auf den Gott des Friedens zuzugehen. Im stillen oder flehentlichen Gebet hat er Zugang zu einem inneren Frieden gefunden, der unter allem Furchtbaren liegt. Das Vertrauen in Gott und in seine Liebe, die er immer wieder im Herzen Jesu betrachtet, hat ihn die Furcht überwinden lassen und ihn zu einem  mutigen Menschen gemacht, im „Dienst bei den Kleinen und Geringen, den Arbeitern und Armen“ (Kst. 31).

Denn „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus“ (1 Joh 4,18).

Dieser Beitrag von Pater Olav Hamelijcnk SCJ stammt aus der aktuellen Ausgabe unseres Ordensmagazins „Dein Reich komme“.

Das gesamte Heft können Sie hier lesen.