„Fürchtet euch nicht“ – Die Zusage des Engels in der neuen Ausgabe von „Dein Reich komme“

Titelbild: Winkendes Mädchen aus Madagasakar
Autor
Deutsche Ordensprovinz der Dehonianer SCJ
Datum
11.12.25

Vom Besuch von Provinzial Pater Stefan Tertünte SCJ in Madagaskar erzählt die neue Ausgabe unseres Magazins „Dein Reich komme“. Ein Fokus liegt dabei auf der Hoffnung und Furchtlosigkeit der Menschen, denen er während der Bürgerproteste gegen die amtierende Regierung begegnet ist.

„Fürchtet euch nicht“ – über die Aufforderung des Engels an Maria und später an die Hirten macht sich Pater Olav Hamelijnck SCJ Gedanken. Und gleich zwei Experteninterviews wurden zu diesem Thema geführt: mit Prof. Anton A. Bucher über Spiritualität und Glück, und mit Msgr. Ullrich Auffenberg, der das Buch „Sorgt euch nicht!“ geschrieben hat, über das Übersetzen des Satzes „Fürchtet euch nicht“ in unser adventliches Leben.

Das Interview von André Lorenz mit Prof. Bucher können Sie in „Dein Reich komme“ lesen. Die Zeitschrift mit vielen weiteren Informationen und Reportagen steht hier zum Download bereit.

Das Interview mit Msgr. Auffenberg veröffentlichen wir hier:

Der Engel spricht zu den Hirten: „Fürchtet euch nicht.“ Was bedeutet dieser Satz für uns Menschen heute, die wir mitten in einer Welt aus Kriegen, gesellschaftlichen Spaltungen und persönlichen Unsicherheiten stehen?

Ullrich Auffenberg: Die Sterbeforscherin und Therapeutin Monika Renz vertritt die These, dass das Urvertrauen stärker als die Urangst ist, dass es also tief im Inneren unseres Bewusstseins eine Basis gibt, die stärker ist als die Angst. Unter jedem Abgrund ist noch ein Grund. Das ist auch die christliche Urbotschaft, die mit Weihnachten beginnt. Und so sagt der Engel schon zu Maria und auch zu Josef: „Fürchtet euch nicht.“ Das zieht sich dann durch das gesamte Neue Testament.

Und wie geht das dann genau: sich nicht zu fürchten? Sie sagen, Gelassenheit sei keine passive Ruhe, sondern eine „aktive Kraft“. Wie kann diese aktive Gelassenheit helfen, mit der oft überwältigenden Angst unserer Zeit umzugehen – gerade jetzt an Weihnachten?

Gelassenheit verbinden wir oft mit Gleichgültigkeit. Man könne ohnehin nichts machen gegen das Schicksal, das dich trifft, ob persönlich, politisch oder gesellschaftlich. Gelassenheit ist aber nicht Gleichgültigkeit, Gelassenheit ist Unerschütterlichkeit. Das bedeutet, dass wir auf die Kraft vertrauen, die uns tragen kann – egal, was uns widerfährt.

Wem oder was vertrauen wir da? Als Christen haben wir unseren Glauben. Was aber ist, wenn jemand nicht gläubig ist?

Wir hatten heute Morgen in der Messe das Evangelium von Petrus, der im Meer versinkt, von Jesus gerettet wird und sich anhören muss: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? (Mt 14,31) Als Gläubiger vertraue ich dem Mann aus Nazareth. Aber auch wer nicht glaubt, hat vielleicht doch ein Bedürfnis, dass es etwas gibt, was größer ist als diese Welt, und mit dem wir auch verbunden sind. Auch C. G. Jung war kein Mitglied einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft. Er sagte aber, es gibt im Menschen eine religiöse Sehnsucht, nach einer Kraft, die größer ist als er selber, und wer diese Kraft nicht lebt, der lebt verkürzt.

Wie kann man diese aktive Gelassenheit schulen, wie bekommt man sie, wie macht man sie stark?

Ja, das stimmt, man kann sie schulen, man muss üben. Für mich sind es im Grunde Übungen in Stille, morgens eine Stunde in mich hineinzuhorchen, mich auf den Atemrhythmus zu fokussieren. So beruhigt sich mein Kopfkino mit all meinen Sorgen. Eine Stelle aus der Bibel oder einem anderen Buch, eine Zeile aus einem Gedicht, an der ich mich immer wieder festhalten und die ich meditieren kann, setzt geistige Nahrung frei. Nelson Mandela hatte so einen Satz, wenn er es im Gefängnis nicht mehr aushielt: Ich bin der Käpt'n meiner Seele, ich bin der Meister meines Schicksals.

Viele Menschen empfinden den Advent nicht als Zeit der Erwartung, sondern als Zeit der Überforderung. Wie kann der weihnachtliche Zuspruch „Fürchtet euch nicht“ in den Alltag hineinwirken – ganz konkret und praktisch?

Die Vorweihnachtszeit ist völlig pervertiert durch die Kommerzialisierung. Ursprünglich begann vor Weihnachten eine Fastenzeit, von St. Martin bis zum 24. Dezember. Das ist verloren gegangen. Vielleicht kann man sich in seiner Wohnung einen kleinen Ort der Stille schaffen, wo man irgendwann am Tag, wenn man zehn Minuten übrig hat, ein kleines Ritual beginnt, eine Kerze am Adventskranz ansteckt, sich einfach hinsetzt und sich sagt: Ich werde jetzt ruhig. Das geht immer über den Atem. Tief durchatmen bis auf den Grund des Beckens und länger wieder ausatmen als ich einatme.
In meinem letzten Kurs zum Thema Gelassenheit haben wir mehrfach das Vaterunser voller Entschleunigung gesprochen: Einatmen – im Ausatmen die Bitte sprechen – wieder einatmen – im Ausatmen die nächste Bitte sprechen. Das Vaterunser hat 14 Bitten, das sind 14 Atemzüge von 20.000, die ich am Tag mache. Das haben die Teilnehmenden sich gemerkt.

Info zum Buch von Msgr. Ullrich Auffenberg:

Gelassenheit finden in stürmischen Zeiten: Mit 36 feinfühligen Texten schenkt Msgr. Ullrich Auffenberg in seinem Buch „Sorgt euch nicht“ Momente der Besinnung in Zeiten der Unruhe.

Link zum Buch